Mein Senf zum "Recht auf Vergessen"
Seit gestern kann man bei Google die Entfernung von Suchergebnisse, die die eigene Person betreffen, beantragen. Natürlich ging das bereits über alle Nachrichtenkanäle und sozialen Medien und wie zu hören ist, sollen bereits am ersten Tag 12.000 Löschanträge bei Google eingegangen sein.
Insbesondere in einigen Zeitungen war heute schon wieder vom “Recht auf Vergessen” die Rede (z.B. Die Welt) und ich rege mich immer noch über diesen Blödsinn auf. Dabei bin ich mir aber nicht sicher ob ich mich mehr über das unsinnige Gerichtsurteil aufregen soll oder das was von einigen Zeitungen (und Politikern) daraus gemacht wurde.
Aber eigentlich zeigt das Ganze doch nur, wie wenig die Richter und alle, die jetzt vom “Recht auf Vergessen” sprechen, das Internet und insbesondere das World Wide Web verstanden haben:
- Nur weil ein Link bei Google gelöscht wird, bedeutet das noch lange nicht, dass der eigentliche Inhalt auch verschwunden ist. Das lässt sich ganz gut mit einem Buch vergleichen: schwärzt man einen Eintrag im Index (= Google), dann ist der Text, auf den der Index zeigt noch immer vorhanden. Er ist nur schwerer aufzufinden.
- Wenn ich die Pressemitteilung des EUGh zu dem Urteil richtig verstanden habe, dann betrifft das zunächst einmal nur Google. Es soll aber auch noch andere Suchmaschinen geben. Was ist also mit bing, Yahoo und anderen? In Deutschland ist zwar Google das Synonym für Suchmaschine, aber es gibt halt auch noch ein paar andere. Ich habe jedenfalls noch nicht gehört, dass die anderen Anbieter ähnliche Löschformulare eingerichtet haben.
- Auch Google muss die Links nicht überall entfernen. Google zeigt die Suchergebnisse länderspezifisch an und nur in den EU-Ländern dürfen die Links nicht mehr angezeigt werden. Wenn man also via google.com sucht, würde man die Links weiterhin angezeigt bekommen.
- Was ist eigentlich mit Links von anderen Webseiten (z.B. Twitter, Facebook, …)? Die sind von dem Urteil überhaupt nicht betroffen und somit sind Texte, die doch eigentlich “vergessen” werden sollten, weiterhin erreichbar (und damit auch indirekt via Google auffindbar …).
Wie man sieht, kann von einem wirklichen “Recht auf Vergessen” nicht die Rede sein, vielmehr handelt es sich wie Jörg Schieb es treffend in seinem Blog auf Digitalisten bezeichnete um ein “Recht auf Unterschlagen”. Wenn das Gericht wirklich konsequent gewesen wäre, dann hätte es die Löschung des eigentlichen Artikels verlangen müssen. Aber das hätte dann ganz stark nach Zensur ausgesehen und das kann man natürlich nicht machen …
Im Moment ist noch nicht absehbar, wie genau Google die Löschanträge prüfen wird, und welchen Anträgen wirklich stattgegeben wird. Es ist aber zu befürchten, dass Firmen, Politiker oder andere Prominente auf diese Art versuchen werden, Verweise auf ihnen unliebsame (aber wahre) Artikel entfernen zu lassen. Damit würde es für den normalen Nutzer deutlich schwieriger sich objektiv zu informieren.
Wenn ein Text - egal ob im Internet oder auf Papier - korrekt und nicht erfunden ist, dann muss er meiner Meinung nach erhalten und allgemein zugänglich bleiben. Wenn es sich um beleidigende Inhalte handelt oder ein Artikel auf unwahren Tatsachen beruht, dann sollte der Artikel selbst gelöscht werden, zur Not per gerichtlicher Anordnung.
Oder aber man geht wie bei Zeitungsartikeln vor und verpflichtet den Betreiber der Webseite mit dem Artikel zur Veröffentlichung eines Widerrufs und zwar direkt an der Stelle, an der der eigentliche Artikel zu finden ist.
Das Urteil und die ganzen Stimmen, die sich positiv darüber geäußert haben, zeigen aber noch eins: weder die Richter noch die Leute, die das Urteil loben, haben das Internet wirklich verstanden. Es ist also zu befürchten, dass es Zukunft noch weitere unsinnige Urteile dieser Art (oder gar Gesetze) geben wird. Das macht mir im Moment eigentlich noch mehr Sorgen als das eigentliche Urteil.